Früher hatten die Handwerker noch Zeit schöne Dinge zu machen...

Dieser Satz fällt sofort und ist eine weitverbreitete und immer wieder gebrauchte These, die dem Liebhaber oder Sammler schöner antiker Barock-Möbel häufig entfährt. Ist diese Aussage aber überhaupt gerechtfertigt?

Künstler lieferten bildliche Vorlagen

Betrachtet man eine großzügig geschwungene Barock-Kommode mit vielen kleinen, feinen Intarsien, sind die meisten doch sehr überrascht, mit welcher Liebe zum Detail, ein solches antikes Möbel fein säuberlich gearbeitet wurde. Eine beeindruckende Marketerie wie z. B. ein wunderschönes Blumenbild ergibt sich beispielsweise auf einer Kommodenplatte durch das Zusammenspiel oft exotischer Hölzer, dem räumlichen Denken des Handwerkers, der Auswahl der Holzmaserung sowie dem gekonnten gravieren und brandschattieren der Marketerie-Teile. Künstler und Entwerfer, heute würden wir sie Designer nennen, verbreiteten oft die gedruckten Vorlagen dazu, die dann vom Schreiner, umzusetzen waren. Gefordert wurde dies von wirtschaftlich potenten Auftraggebern wie beispielsweise Fürsten, Äbten oder Patriziern, die sich im 18. Jahrhundert gerne im barocken Stil einrichten, modern repräsentieren und auftreten wollten.

Rückseiten der Barock-Möbel sind grob

Natürlich wurden nicht nur Barock-Möbel in Luxusausführung hergestellt, sondern auch immer einfache, schlichte Gebrauchsmöbel. Diese haben sich aber meist verbraucht und sind damit nur noch äußerst selten erhalten. Anders die Luxusmöbel, die damals schon mit viel Herzblut und großem Engagement hergestellt wurden. Waren sie gestalterisch und technisch gelungen, wurden sie hochgeschätzt, gepflegt und nachgefragt. Kunsthandwerker, die sie schufen, deren Kapital ihr Werkzeug und ihr handwerkliches Können war, waren dann oft stark beschäftigt und ausgelastet. Zunftzwänge in der Barockzeit unterbanden aber meist jegliche Expansion. Produktivitätssteigerung durch Maschineneinsatz – heute selbstverständlich – war kaum denkbar. Da aber die aufwändigen kunsthandwerklichen Arbeiten an den Sichtseiten der Möbel viel Energie und Liebe eines Meisters kosteten, wurde praktisch immer an den nicht sichtbaren Seiten eines Möbels gespart und zwar viel Arbeitszeit.

Luxus vor dem Nötigsten

An allen mir bekannten hochwertigen Luxusmöbeln und gerade an Barock-Möbeln aus dem 18. Jahrhunderts lässt sich dies mit einem Blick auf die Rückwand ablesen. Rückwände oder Böden der prächtigsten Barock- und Rokoko-Möbel sind grob und gerade noch so gut verarbeitet, dass man sich bei Berührung nicht verletzt. Kostbare Zeit wurde ausschließlich in die repräsentativen Sichtseiten der Barock-Möbel investiert. Auch Unterhaltsames wie die beliebten Geheimfächer kamen meist nicht zu kurz. Und das nicht weil sich der Meister gerade langweilte, sondern weil dies von den Auftraggebern verlangt und auch so honoriert wurde.

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Johannes Kössler

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